5 Wer heiratet wen ?
Bisher haben wir uns im wesentlichen mit der Frage beschäftigt,
was die notwendigen Voraussetzungen für eine Ehe sind, also der Frage:
Welche Umstände müssen vorliegen, damit eine Ehe geschlossen
wird. Eine weitere wichtige Frage lautet: Wer heiratet wen?
Nun kann man von der ökonomischen Theorie sicherlich
keine Aussagen der Art erwarten, Herr X aus Hannover heiratet Frau Z aus
Göttingen. Die Theorie ist aber in der Lage, einige allgemeine Aussagen
über das sogenannte Matching auf dem Heiratsmarkt abzuleiten. Dieser
Markt kommt wie jeder andere Markt dadurch zustande, daß Angebot
und Nachfrage aufeinander treffen. Und in gewissem Sinne vollzieht sich
auf diesem Markt auch eine Preisbildung.
Der Heiratsmarkt ist ein recht unstrukturierter Markt
- etwa im Vergleich zum Aktienmarkt, der in dieser Hinsicht eher das andere
Extrem darstellt. Auf dem Heiratsmarkt (gemeint ist der Markt für
Beziehungen, der Begriff Heiratsmarkt hat sich aber eingebürgert)
ist die Information über das Angebot in quantitativer wie in qualitativer
Hinsicht in hohem Maße unvollständig. Die Käufer auf diesem
Markt setzen daher in relativ großem Umfang Ressourcen zur Informationsbeschaffung
ein. Die Verkäufer haben, wenn man es so formulieren möchte,
ein vergleichsweise hohes Werbebudget für die Ware, die sie anbieten.
Häufig versuchen sie auch, die Produktqualität zu verbessern,
um die Absatzchancen zu erhöhen. Zu den Maßnahmen, die sie für
geeignet halten, zählen z.B. Tanzkurse und Schlankheitskuren.
Die wesentlichen Erträge aus einer eheähnlichen
Gemeinschaft fallen an, wenn die potentiellen Ehepartner die Geschlechtsreife
erlangt haben und zur Führung und Unterhaltung eines eigenen Hausstandes
in der Lage sind, d.h. in der Regel nach Abschluß einer Ausbildung,
falls nicht andere Einkommensquellen zur Verfügung stehen. Dies spricht
dafür, daß zielgerichtete Aktivitäten auf dem Heiratsmarkt
etwa mit dem 18. Lebensjahr beginnen. (So sind z.B. längere Ausbildungszeiten
auch eine Erklärung, warum später geheiratet wird.)
Der Nachfrager wird nun entscheiden müssen, wie lange
und wie intensiv er auf diesem Markt aktiv sein will. Je nachdem, mit welchem
Intensitätsgrad nach einem Partner gesucht wird, gestaltet sich die
Suche mehr oder weniger teuer. Man kann sich auf den Zufall verlassen und
gar nichts unternehmen, Bekanntschaften aber auch durch Diskothekenbesuche
zu forcieren versuchen. Weitere Intensitätsstufen sind der Besuch
von Single-Tanzveranstaltungen, die Aufgabe von Heiratsannoncen oder gar
die Einschaltung eines Heiratsinstitutes. Dies kostet Zeit und Geld. Vor
allem aber wird man während der Suche älter, wodurch die prospektive
Ehedauer sich verkürzt und die möglichen Erträge abnehmen.
In der Sprache der Ökonomen: die Amortisationsdauer nimmt ab.
Dazu kommt, daß die Suche mit der Zeit tendenziell
teurer wird. Mit zunehmendem Alter dürfte es immer schwieriger werden,
neue Bekanntschaften zu machen. Die Kosten der Erhaltung der eigenen Attraktivität
steigen - man wird ja schließlich nicht jünger - und günstige
Kontaktmöglichkeiten, wie sie z.B. Diskotheken bieten, fallen aus.
Schließlich ist zu bedenken, daß auch der eigene Marktwert
sinkt. Aber auf der anderen Seite gilt: Je länger und je intensiver
die Partnersuche betrieben wird, desto größer ist die Chance,
einen geeigneten Partner zu finden, also einen Partner, bei dem die Erträge
aus dem Zusammenleben besonders hoch sind, weil er ähnliche Interessen
hat und die passende Ergänzung in produktiver Hinsicht darstellt.
Will man dem Partnersuchenden einen Rat geben, steht man
vor folgendem Problem: Einerseits muß man ihm raten, möglichst
schnell einen Partner zu suchen, da die Suche immer teurer wird und die
Amortisationsdauer mit weiterer Suche sinkt. Andererseits muß man
ihm raten, möglichst lange zu suchen, da dann die Chance steigt, einen
Partner zu finden, bei dem die Erträge aus einer Beziehung besonders
hoch sind.
Falsch: Suche den Partner, mit dem die
gegenseitige Liebe am größten ist.
Richtig: Heirate den aktuellen Partner, wenn die
Weitersuche sich nicht mehr lohnt.
Die Entscheidungsregel für einen Partnersuchenden kann
daher nur lauten: Suche solange, wie die Kosten der Weitersuche unter den
erwarteten Erträgen liegen. Damit können sich für unterschiedliche
Personen unterschiedliche optimale Partnersuchdauern ergeben, d.h. im Klartext
eine unterschiedliche Zahl von Bekanntschaften bis zur Bildung einer festen
Lebensgemeinschaft. Es bleibt aber immerhin folgendes festzuhalten: Erstens:
Es existiert eine eindeutige Regel, ob man mit dem Partner, mit dem man
gerade zusammen ist, eine Lebensgemeinschaft auf Dauer bilden soll - oder
ob man ihn besser verläßt. Und zweitens: Der Partner, mit dem
man eine feste Lebensgemeinschaft eingeht, ist aus der Menge aller potentiellen
Kandidaten nicht derjenige, den man am meisten "liebt", sondern derjenige,
mit dem man zusammenbleibt, weil eine Weitersuche kein besseres Ergebnis
verspricht. Ein kleiner Wermutstropfen in unserer Suchregel für den
optimalen Partner ist natürlich, daß man selbst oft nicht einschätzen
kann, ob sich die Weitersuche noch lohnt.
Wenn also ein Ehepartner sagt, er liebe seinen Gatten
oder seine Gattin, dann dürfen wir das getrost so interpretieren,
daß er eben mit keinem oder keiner anderen besser gefahren wäre.
Nicht mehr und nicht weniger. Das heißt natürlich nicht, daß
es nicht Menschen gäbe, die sich im wahrsten Sinne des Wortes "lieben",
die Amors Pfeil getroffen hat, die sich im siebenten Himmel befinden -
oder welche Umschreibung man dafür auch immer gebrauchen mag. Beziehungen,
auf die dies zutrifft, sind aber zufälliger Natur. Natürlich
gibt es Leute, die hiergegen starke Bedenken äußern würden.
Sie können sich aber meist nur auf wenig rationale Argumente stützen.
Astrologen etwa würden wohl behaupten wollen, es sei der Lauf der
Gestirne, der die Liebenden zusammenführe.
Fassen wir noch einmal kurz zusammen: Tendenziell heiraten
oder leben Menschen zusammen,
- die eher gleiche Interessen, Konsumwünsche,
Weltanschauungen besitzen,
- die sich in haushaltsproduktiver Hinsicht gut ergänzen.
Und das sind wegen der Kinderproduktion vor allem heterosexuelle Paare
mit relativ geringen Altersunterschieden.
Weitere plausible Schlußfolgerungen liegen auf der
Hand:
- Tendenziell heiraten Menschen eher jünger
als älter, da die Erträge aus dem Zusammenleben mit zunehmendem
Alter geringer werden. Oder umgekehrt formuliert: im Alter zahlen sich
kostenintensive Aktivitäten auf dem Heiratsmarkt nicht mehr aus.
- Da die Partnersuchkosten mit steigender Entfernung vom
Wohnort steigen, werden unter sonst gleichen Umständen jene Ehen häufiger
sein, bei der die Partner vor der Ehe eine geringere Entfernung zwischen
ihren Wohnungen aufwiesen.
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