6 Investitionstheoretische
Aspekte
Wir haben bereits gesehen, daß eine Heirat mit Kosten
verbunden ist, denen zukünftige Erträge gegenüberstehen.
Aktivitäten, auf die dies zutrifft, bezeichnet man ganz allgemein
als "Investition". Die Bildung einer Lebensgemeinschaft auf Dauer ist für
Ökonomen also eine Investition. Investitionen zeichnen sich durch
drei besondere Eigenheiten aus (Dixit 1992):
1. Um einen modernen Begriff zu benutzen, jede
Investition führt zu "sunk costs" - verlorenen Kosten. Ist die Investition
erst einmal getätigt, dann sind diese Kosten nicht oder nur schwer
wieder zu kapitalisieren. Denken Sie an das Einrichten einer neuen Produktionsanlage:
Informationskosten, Beschaffungskosten, Aufstellungskosten, Kosten der
Inbetriebnahme, Anlernkosten für die Maschinenführer etc. Stellt
sich die Investition als Fehlinvestition heraus, so kann die Anlage selbst
evtl. sogar ohne Verlust wieder veräußert werden, die angeführten
Kostenarten sind jedoch verloren - und die können ganz erheblich sein.
2. Die Investition erfolgt immer unter einem gewissen
Grad an Unsicherheit. Sowohl auf den Beschaffungsmärkten als auch
auf den Absatzmärkten ist mit Unwägbarkeiten zu rechnen.
3. Im allgemeinen ist die Gelegenheit zur Investition
nicht verloren, wenn man sie nicht sofort wahrnimmt. Ob man die Investition
heute, in einem Monat oder erst in einem Jahr in Angriff nimmt, ist ein
Entscheidungsproblem genau wie das, ob man überhaupt investieren will
oder nicht. So kann es z.B. sinnvoll sein, mit einer Investition zu warten,
wenn zwischenzeitlich die Zinsen sinken, die Investition zum späteren
Zeitpunkt also günstiger finanziert werden kann, oder wenn zusätzliche
Informationen im Laufe der Zeit verfügbar werden, die Art und Höhe
der Investition beeinflussen.
Fassen wir die drei Aspekte in Stichworten zusammen: 1. Investitionen
führen zu "sunk costs", 2. Investitionen erfolgen unter Unsicherheit
und 3. es gibt einen Wert des Wartens. Übertragen wir nun diese drei
Aspekte auf unsere Fragestellung:
1. Sunk costs: Es dürfte wohl unstrittig
sein, daß auch bei der Bildung einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft
verlorene Kosten auftreten. Nehmen wir in Analogie zu unserem Maschinenbeispiel
an, die Beziehung geht in die Brüche. Im Maschinenbeispiel konnten
Sie wenigstens noch die Maschine selbst veräußern. Hier aber
ist gar kein veräußerbarer Gegenwert mehr vorhanden. Die Kosten
für die Verlobungs- und Hochzeitsfeier sind vielleicht noch der geringere
Teil, wenn Sie bedenken, welche Kosten die Partner u.U. auf sich genommen
haben, um die Beziehung überhaupt erst einmal anzubahnen und bis zum
Entschluß zu einer gemeinsamen Haushaltsführung voranzubringen.
Außerdem entstehen auch Folgekosten, da man sich zukünftig nur
noch als 'second hand' Ware auf dem Heiratsmarkt 'verkaufen' kann. (Ein
kurzer Blick in ein Heiratsannoncen-Blättchen genügt, diese These
zu bestätigen: die Abkürzung "gesch." wird hier meist gebraucht
wie die Anmerkung "leichter Vorschaden" bei den Autoanzeigen. Manche Inserenten
allerdings versuchen durch Verwendung des Begriffs "eheerfahren", auf mögliche
Vorteile hinzuweisen.)
2. Unsicherheit: Zum Zeitpunkt des Entschlusses zur Bildung
einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft ist man nicht vollständig
darüber informiert, was man "kauft". Natürlich wird man sich
bemüht haben, Informationen über den zukünftigen Partner
zu sammeln, über dessen Vorgeschichte, die Vermögenssituation
etc. Im Unterschied zu einem normalen Investitionsgut tritt hier jedoch
erschwerend der Umstand hinzu, daß der Partner nach dem "Kauf" seine
Eigenschaften willentlich verändern kann. Nicht einmal über den
Preis, den man zu zahlen hat, besteht Klarheit. Der Preis wird ja nicht
nur vor, sondern auch während der Beziehung entrichtet.
3. Das optimale Timing: Nehmen wir an, Er und Sie haben
eine andauernde Beziehung, leben aber in getrennten Wohnungen. Für
beide stellt sich das Problem, irgendwann dem Partner vorzuschlagen, eine
feste Beziehung einzugehen und diese durch die Aufgabe einer der Wohnungen
zu besiegeln. Erst dadurch würden ja eine Reihe der Vorteile anfallen,
die wir bereits erörtert haben.
Nun kann man einen solchen Vorschlag heute, morgen, in einem
Monat, aber auch noch wesentlich später unterbreiten. Analog zum Investitionsproblem
gilt nämlich auch hier, daß sich die Marktbedingungen ja zukünftig
zu eigenen Gunsten entwickeln könnten, d.h. daß man sich selbst
"teurer" verkaufen oder zum gleichen Preis einen "besseren" Partner kaufen
könnte. Mit anderen Worten: die Möglichkeit der Partnersuche
bzw. das Hinausschieben des Zusammenziehens hat einen Wert, der nicht unbedacht
aufgegeben werden sollte.
Betrachten wir dazu folgendes Beispiel: Er schlägt
ihr vor, endlich zusammenziehen - da würde man die Miete für
eine Wohnung sparen und so weiter und so weiter... Sie, sich des positiven
Wertes weiterer Suchmöglichkeiten bewußt, antwortet ausweichend,
man wisse ja nicht so genau und vielleicht solle man doch erst noch ein
halbes Jahr weiter in getrennten Wohnungen leben. Er nimmt ihr das übel
und beendet die Beziehung.
Nun könnte man vermuten, hier ging der Schuß
nach hinten los. Doch auch hierfür bietet die ökonomische Theorie
eine Erklärung, die zeigt, daß im Grunde beide Partner genau
das richtige für ihr Lebensglück getan haben: Zum einen zeigt
sich doch nur, wie richtig sie eigentlich mit ihrer Strategie lag, sich
die Suchoption zu erhalten. Wenn ihr Partner bereits aus diesem Grund die
Beziehung aufkündigt, so kann ihm an ihr ja nicht viel gelegen haben.
Aus seiner Sicht stellt es sich ähnlich dar: Sie
war ja schließlich nicht bereit, die alleinige Wohnung aufzugeben
und die damit verbundenen Kosten zu tragen. Ihre Erträge aus dem Zusammenziehen
liegen daher unter diesen Kosten - andernfalls hätte sie sich ja anders
entschieden. Er scheint ihr daher nicht allzuviel zu bedeuten. Die Beziehung
wäre, wenn sie zustandegekommen wäre, sehr instabil gewesen.
Und das führt uns zu unserem letzten Gliederungspunkt.
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